Bewertungsportale erfüllen eine gesellschaftlich erwünschte Funktion, indem sie Transparenz für die Auswahl von Dienstleistern im weiteren Sinne (dies schließt Lehrer und Richter ein) schaffen. Wegen unsachlicher Bewertungen, Falschbehauptungen oder Beleidigungen stehen die Bewertungsportale jedoch auch häufig in der Kritik. Der Beitrag legt dar, welche Möglichkeiten die Bewerteten haben, gegen Einzelbewertungen vorzugehen und warum die Bewerteten weder einen Anspruch auf Löschung ihres – von Dritten angelegten – Profils noch auf Auskunft hinsichtlich der Identität des Bewertenden gegen den Portalbetreiber haben.
Auf einem Bewertungsportal können einzelne Personen in einer bestimmten beruflichen Rolle oder Funktion bewertet werden. Im Internet existieren Bewertungsportale für alle denkbaren Berufsgruppen. Beispielsweise können Mandanten Rechtsanwälte auf 123recht.net bewerten und Rechtsanwälte Richter auf Richterscore.de.
Besondere rechtliche Aufmerksamkeit haben das Lehrerbewertungsportal Spickmich.de (BGH BeckRS 2009, 19763) und verschiedene Portale zur Bewertung von Ärzten erfahren (BGH BeckRS 2014, 14783 = GRUR-Prax 2014, 388 [Lauber-Rönsberg]; BGH BeckRS 2014, 20426 = GRUR-Prax 2014, 554 [Slowioczek]; BGH BeckRS 2016, 6437 = GRUR-Prax 2016, 199 [Klinger/Kuhlmann]).
Das Ärztebewertungsportal jameda.de hat nach einer Auswertung der Arbeitsgemeinschaft Online Forschung mehr als fünf Millionen Besucher im Monat, die bisher mehr als eine Million Bewertungen verfasst haben.
Wesensgleich ist den hier behandelten Portalen, dass die Bewertungen die berufliche Sphäre von natürlichen Personen und damit die Sozialsphäre des Persönlichkeitsrechts betreffen. Abzugrenzen sind sie daher von Bewertungsportalen für Unternehmen und Produkte, aber auch von Portalen zur Bewertung natürlicher Personen in ihrer Privatsphäre. Mit Peeple ist
mittlerweile ein solches Bewertungsportal für Privatpersonen – vorerst aber nur in Nordamerika und nur für iOS – verfügbar.
Der Bewertete hat gegen den Portalbetreiber keinen Anspruch auf Löschung seines Profils, in dem neben den Bewertungen regelmäßig auch Basisdaten wie beispielsweise Name, Fachrichtung und Adresse enthalten sind. Ein Löschungsanspruch ergibt sich weder aus § 35 II 2 Nr. 1 BDSG noch aus §§ 823 II, 1004 BGB analog iVm § 4 I BDSG, da die Übertragung nach § 29 BDSG zulässig ist (vgl. BGH BeckRS 2014, 20426 Tz. 22 ff. = GRUR-Prax 2014, 554 [Slowioczek]).
Nach § 35 II 2 Nr. 1 BDSG sind personenbezogene Daten zu löschen, wenn ihre Speicherung unzulässig ist. Die Zulässigkeitsvoraussetzungen der Speicherung ergeben sich dabei für Bewertungsportale nicht aus § 28 BDSG, der die Datenerhebung und Datenspeicherung für eigene Geschäftszwecke regelt, sondern vielmehr aus § 29 BDSG, der die geschäftsmäßige Datenerhebung und -speicherung zum Zweck der Übermittlung – hier: der Basisdaten und der Bewertungen an die Portalnutzer – normiert. Nicht abschließend geklärt ist die Frage, ob sich diese Einordnung ändert, wenn der Portalbetreiber den Bewerteten gegen Entgelt Premium- Pakete anbietet, die etwa eine verbesserte Darstellung des Profils auf dem Portal umfassen. Die Speicherung der genannten Daten auf einem Bewertungsportal ist nach § 29 BDSG zulässig. Der Prüfungsmaßstab ergibt sich dabei für Basisdaten und Bewertungen einheitlich aus § 29 I 1 Nr. BDSG, da nur eine gemeinsame Verwendung der Daten den verfolgten Zweck erfüllt. Nach § 29 I 1 Nr. 1 BDSG ist die Erhebung und Speicherung personenbezogener Daten zum Zweck der Übermittlung zulässig, wenn kein Grund zu der Annahme besteht, dass der Betroffene ein schutzwürdiges Interesse an dem Ausschluss der Erhebung oder Speicherung hat. Der Begriff des schutzwürdigen Interesses erfordert dabei eine Abwägung zwischen dem Schutz des Rechts des Bewerteten auf informationelle Selbstbestimmung nach Art. 2 I, 1 I GG und Art. 8 I EMRK und dem Recht des Portalbetreibers auf Kommunikationsfreiheit nach Art. 5 I GG und Art. 10 I EMRK. Dabei ist auch die mittelbare Drittwirkung des beiden Parteien zustehenden Grundrechts auf Berufsfreiheit aus Art. 12 I GG zu berücksichtigen.
Im Ergebnis überwiegen die schutzwürdigen Interessen des Bewerteten an der Löschung seiner Daten gegenüber den Interessen des Portalbetreibers nicht. Zwar ist der Bewertete durch die Aufnahme in ein Bewertungsportal in der Weise belastet, dass die Bewertungen erhebliche Auswirkungen auf den sozialen und beruflichen Geltungsanspruch haben, ohne dass der Bewertete auf die Bewertung unmittelbar Einfluss nehmen könnte. Negative Bewertungen können im Ausnahmefall gar die berufliche Existenz gefährden. Allerdings betreffen die von diesen Portalen erhobenen und gespeicherten Informationen nur die Sozialsphäre des Bewerteten in Abgrenzung zu seiner Privatsphäre. Im Bereich der Sozialsphäre muss sich der Einzelne grundsätzlich auf die Beobachtung seines Verhaltens und auf Kritik einstellen (BGH BeckRS 2014, 20426 Tz. 35 = GRUR Prax 2014, 554 [Slowiocek]). Wer Dienstleistungen anbietet und dafür bezahlt wird, muss hinnehmen, bewertet zu werden.
Im Übrigen ist der Bewertete den Gefahren eines Bewertungsportals nicht schutzlos ausgeliefert. Insbesondere kann der Bewertete unwahren Tatsachenbehauptungen und beleidigenden Bewertungen dadurch begegnen, dass er vom Portalbetreiber die Löschung der beanstandeten Bewertung verlangt.
Das Recht auf Kommunikationsfreiheit des Portalbetreibers wiegt demgegenüber schwerer. Die Öffentlichkeit hat ein Interesse daran, sich über die Bewertung von Dienstleistern durch andere Kunden zu informieren. Bewertungsportale stellen eine Plattform für den Austausch dieser Informationen und Meinungen und sind daher dazu geeignet, zu mehr Leistungstransparenz beizutragen. Die subjektiven Laienbewertungen stellen dabei eine sinnvolle Ergänzung der sonstigen Informationsquellen dar. Der von einem Bewertungsportal verfolgte und von der Rechtsordnung gebilligte Zweck könnte nur noch eingeschränkt erfüllt werden, wenn der Betrieb von der Zustimmung der Bewerteten abhinge (BGH BeckRS 2014, 20426 Tz. 38 ff. = GRUR- Prax 2014, 554 [Slowiocek]).
Da die Bewertungen regelmäßig nicht unter dem Klarnamen abgegeben werden, kann der Bewertete nicht unmittelbar gegen den Bewertenden vorgehen. Dennoch besteht kein Anspruch auf Auskunft über die Identität des Bewertenden gegen den Portalbetreiber. Dieser ist mangels Ermächtigungsgrundlage nicht zur Herausgabe befugt (BGH BeckRS 2014, 14783 Tz. 9 ff. = GRUR-Prax 2014, 388 [Lauber-Rönsberg]).
Zwar ergibt sich aus dem Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) eine Auskunftspflicht bei jedem Rechtsverhältnis, dessen Wesen es mit sich bringt, dass der Berechtigte in entschuldbarer Weise über Bestehen oder Umfang seines Rechts im Ungewissen und der Verpflichtete in der Lage ist, unschwer die zur Beseitigung erforderlichen Auskünfte zu erteilen. Zudem ist anerkannt, dass der Betroffene auch die Nennung der Namen Dritter zur Ermittlung der Quelle der Rechtsbeeinträchtigung verlangen kann, um künftige Beeinträchtigungen zu vermeiden (BGH BeckRS 2014, 14783 Tz. 6, 7 = GRUR-Prax 2014, 388 [Lauber-Rönsberg]). Der Anspruch auf Auskunftserteilung scheitert aber daran, dass der Portalbetreiber gemäß § 12 II TMG nicht zur Herausgabe der erhobenen Anmeldedaten befugt ist. Es fehlt an der erforderlichen datenschutzrechtlichen Ermächtigungsgrundlage, die den Portalbetreiber zur Erfüllung des Auskunftsanspruchs berechtigen würde.
Nach dem Gebot der engen Zweckbindung des § 12 II TMG dürfen für die Bereitstellung von Telemedien erhobene, personenbezogene Daten nur dann für andere Zwecke verwendet werden, wenn eine Rechtsvorschrift, die sich ausdrücklich auf Telemedien bezieht, dies erlaubt oder der Nutzer eingewilligt hat. Ein Verwenden im Sinne dieser Vorschrift stellt dabei auch die Übermittlung der Daten an Dritte dar.
Eine gesetzliche Erlaubnis im Sinne des § 12 II TMG ist weder der Grundsatz von Treu und Glauben, der sich in seiner Allgemeinheit nicht auf Telemedien bezieht, noch ergibt sie sich aus § 14 II TMG iVm § 15 V 4 TMG, die gerade keine Ermächtigung zur Auskunftserteilung zu Zwecken des Schutzes von Persönlichkeitsrechten enthalten, sondern der Strafverfolgung und der Gefahrenabwehr sowie der Durchsetzung von Rechten des geistigen Eigentums dienen. Eine analoge Anwendung der § 14 II TMG iVm § 15 V 4 TMG scheidet ebenfalls aus, da es an einer planwidrigen Regelungslücke fehlt. Diese Normen dienen zivilrechtlich der Umsetzung der Durchsetzungs-RL (2004/48/EG), welche sich nicht auf Persönlichkeitsrechte bezieht, sondern ausschließlich dem Schutz des geistigen Eigentums dient. Im Gesetzgebungsprozess wurde die Ausweitung auf Persönlichkeitsrechtsverletzungen zwar diskutiert, aber im Ergebnis nicht umgesetzt.
Solange der Gesetzgeber keine ausdrückliche Ermächtigungsgrundlage zur Weitergabe der personenbezogenen Anmeldedaten schafft, scheitert ein Auskunftsanspruch auf Offenbarung der Identität des Bewertenden an der rechtlichen Unmöglichkeit.
Eine rechtspolitisch nicht unproblematische Umgehungsmöglichkeit besteht allerdings darin, Strafanzeige gegen Unbekannt wegen Beleidigung (§ 185 StGB) zu stellen, um anschließend im Rahmen der Ermittlungen gemäß § 406 e I StPO Einsicht in bei dem Portalbetreiber beschlagnahmte Unterlagen zu nehmen.
Eine konkrete Bewertung auf einem Portal kann unter bestimmten Umständen das
Persönlichkeitsrecht des Bewerteten verletzten. Sachliche Bewertungen, auch wenn diese sich mit der vermeintlichen Inkompetenz des Bewerteten befassen, sind allerdings zu dulden. Die Grenze sind formal beleidigende Äußerungen und Schmähkritik sowie nachweislich falsche Tatsachenbehauptungen. Ein Beseitigungsanspruch ergibt sich dann aus §§ 823 I, 1004 BGB iVm Art. 1 I, Art. 2 I GG (vgl. BGH BeckRS 2016, 6437 Tz.15 ff. = GRUR-Prax 2016, 199 [Klinger/Kuhlmann]).
Der Portalbetreiber haftet in diesen Fällen aber nicht als Täter. Dies wäre nur dann der Fall, wenn es sich bei der beanstandeten Bewertung um einen eigenen Inhalt der Betreiber handelte. Zu den eigenen Inhalten eines Portalbetreibers gehören zwar auch solche Inhalte, die von einem Dritten eingestellt wurden, die sich der Portalbetreiber aber zu Eigen gemacht hat. Von einem Zu-Eigen-Machen ist dabei dann auszugehen, wenn der Portalbetreiber nach außen erkennbar die inhaltliche Verantwortung für die auf seiner Internetpräsenz veröffentlichen Inhalte übernommen hat. Dies kann beispielsweise durch eine inhaltlich-redaktionelle Überprüfung der auf dem Portal eingestellten Bewertungen auf Vollständigkeit und Richtigkeit erfolgen. Dabei ist für die Annahme einer Identifikation mit fremden Inhalten allerdings Zurückhaltung geboten.
Der Portalbetreiber kann aber als Störer haften (§§ 862, 1004 BGB). Dies setzt die Verletzung von Verhaltenspflichten, insbesondere Prüfpflichten, voraus.
Ein Portalbetreiber ist zur Vermeidung einer Haftung als Störer grundsätzlich nicht dazu verpflichtet, die von den Nutzern eingestellten Beiträge vor der Veröffentlichung auf eventuelle Rechtsverletzungen zu überprüfen. Auch sonstige anlasslose Prüfpflichten bestehen nicht. Der Verantwortungsbereich des Betreibers beginnt erst, wenn er Kenntnis von einer möglichen Rechtsverletzung erlangt (BGH BeckRS 2016, 6437 Tz. 23 = GRUR-Prax 2016, 199 [Klinger/Kuhlmann]).
In Fällen, in denen der Bewertete gegenüber dem Portalbetreiber behauptet, er werde durch eine Bewertung in seinem Persönlichkeitsrecht verletzt, wird sich die Rechtsverletzung vom Portalbetreiber oftmals nicht ohne Weiteres feststellen lassen. Wenn die Beanstandung des Bewerteten aber hinreichend konkret gefasst ist, sodass die Rechtsverletzung auf Grundlage der Behauptung angenommen werden kann, hat der Portalbetreiber eine Ermittlung und Bewertung des gesamten Sachverhalts durchzuführen.
Dies gilt auch dann, wenn die beanstandete Bewertung nicht als Tatsachenbehauptung, sondern als Werturteil zu qualifizieren ist, der Bewertete aber schlüssig darlegt, dass der Tatsachenkern der Bewertung unzutreffend ist. Dies kann etwa der Fall sein, wenn der Bewertete das Bestehen eines Geschäftskontakts zum Bewertenden bestreitet (BGH BeckRS 2016, 6437 Tz. 25 ff. = GRUR-Prax 2016, 199 [Klinger/Kuhlmann]).
Da Bewertungsportale eine rechtlich gebilligte und gesellschaftlich wünschenswerte Funktion erfüllen, darf aber der Prüfungsaufwand den Portalbetrieb weder wirtschaftlich gefährden noch unverhältnismäßig erschweren. Umgekehrt muss dagegen beachtet werden, dass bei Bewertungsportalen immer ein gesteigertes Risiko für Persönlichkeitsrechtsverletzungen besteht. Der Portalbetreiber muss daher per se mit entsprechenden Beanstandungen rechnen. Dabei werden die mit dem Portalbetrieb verbundenen Missbrauchsgefahren noch dadurch verstärkt, dass die Bewertungen – rechtlich zulässig (§ 13 VI TMG) – verdeckt abgegeben werden können.
Der Portalbetreiber muss demnach zur Überprüfung der Berechtigung der Beanstandung des Bewerteten ernsthaft versuchen, sich die dazu notwendige Tatsachengrundlage zu verschaffen. Dazu muss die Beanstandung an den Bewertenden übersendet und dieser zur Stellungnahme aufgefordert werden. Damit dies erfolgen kann, muss der Portalbetreiber bei der Anmeldung eine E-Mail-Adresse des Nutzers verlangen und diese auch verifizieren. In Fällen, in denen der Geschäftskontakt als solcher bestritten wird, hat sich der Portalbetreiber Nachweise vorlegen zu lassen (ggf. unter Schwärzung individualisierbarer Daten), die den Geschäftskontakt belegen. Erfolgt keine Stellungnahme innerhalb angemessener Frist, ist die Bewertung zu löschen, sofern die Rechtsverletzung vom Bewerteten schlüssig behauptet worden war.
Andernfalls ist die Stellungnahme, im Rahmen des nach § 12 I TMG rechtlich Möglichen, an den Bewerteten weiterzuleiten. Soweit befürchtet wird, dass der Bewertende anhand der weitergeleiteten Informationen identifiziert werden kann, sollten diese Daten abstrahiert werden. So muss beispielsweise nicht das konkrete Datum des geschäftlichen Kontakts genannt werden, sondern es kann auch ein Zeitfenster genannt werden (BGH BeckRS 2016, 6437 Tz. 43 = GRUR-Prax 2016, 199 [Klinger/Kuhlmann]).
Bewertungsportale sind ein wichtiges Instrument, um die Markttransparenz zu erhöhen und Informationsasymmetrien abzubauen. Der BGH hat die rechtlichen Rahmenbedingungen mehrmals konkretisiert und damit die Rechtssicherheit für alle Beteiligten erhöht.
Trotzdem sind noch einige Fragen offen. Nicht abschließend geklärt ist etwa der Umfang der Pflicht des Portalbetreibers in Bezug auf die Verhinderung weiterer, gleichartiger
Rechtsverletzungen. Zudem kann die Überprüfung der Rechtsverletzung eine gewisse Zeit in Anspruch nehmen, in der die beanstandete Bewertung aufrufbar bleibt. Denkbar wäre ein Anspruch auf eine einstweilige Löschung bis zur endgültigen Klärung, um gravierende Nachteile zu vermeiden.
Schließlich steht mit Analyse-Portalen bereits die nächste Entwicklungsstufe von Bewertungsplattformen vor der Tür. Diese Portale basieren nicht auf subjektiven
Einschätzungen, sondern auf der Verarbeitung von objektiven Daten. In den USA errechnet das Unternehmen Premonition beispielsweise die Performance von Rechtsanwälten im Hinblick auf die Gewinnrate und die durchschnittliche Bearbeitungsdauer; und LexMachina durchsucht gerichtliche Urteile und Beschlüsse nach Entscheidungsmustern von einzelnen Richtern, um dies bei der Gerichtsstandswahl berücksichtigen zu können. Diese Analyse-Portale, die in absehbarer Zeit auch in Deutschland verfügbar sein werden, werfen wieder neue rechtliche Fragen auf.
Source: Beck Online